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Freiluftkonzert versinkt im Regenchaos

Rüsselsheimer Echo, 04. Juni 2005, www.echo-online.de hk echo


Kastelruther Spatzen: Kurz nach Beginn flüchten Fans und Musiker vor dem Unwetter – Nach zwei Stunden geht es weiter

WICKER. Es sollte die größte Biergartengaudi Wickers werden und endet im Regenchaos. Wo vor kurzem fast 3000 Fans noch ausgelassen die Kastelruther Spatzen feierten, kauern sich gestern Abend Menschen unter den Biertischen, um Schutz vor dem Regen und den heftigen Windböen zu suchen. Zu diesem Zeitpunkt hatten viele das Festgelände schon fluchtartig verlassen oder waren in die nahe gelegene Turnhalle gedrängt, um dort vor dem Unwetter Schutz zu suchen. Nur wenige harren auf den Bänken aus, von den dünnen Plastikcapes, die der Veranstalter ausgegeben hat, nur unzureichend geschützt. Gläser und Flaschen, Brezeln und Wurstpappen liegen, vom Wind verstreut, auf dem nassen Rasen. Der Bereich vor der Bühne darf nicht mehr betreten werden. Zu groß ist die Gefahr, dass Teile der Metallkonstruktion zu Boden stürzen. Mit der nahe gelegenen Goldbornhalle wird eine weitere Großhalle geöffnet, um den durchnässten und enttäuschten Fans Schutz zu bieten.

Dabei hatte gestern alles so schön begonnen. Strahlender Sonnenschein, mehr als zweitausend Fans, viele von ihnen schon seit dem Nachmittag auf dem Festgelände. Das ist perfekt hergerichtet. Fast 200 Helfer sind im Einsatz, um den reibungslosen Ablauf des Großereignisses zu gewährleisten. Die Münchner Band „Oldies“ müht sich redlich, mit der etwas rachitischen Musikanlage auf der Seitenbühne den Platz zu beschallen. Doch die Fans warten nur auf die Kastelruther Spatzen. Wegen ihnen sind sie gekommen, aus der ganzen Republik.

Ihre Idole lassen sie nicht warten. Pünktlich um 20 Uhr gehen die Lichter an und die Musiker spielen ihr erstes Lied. Pünktlich zum Konzertbeginn auch die ersten Regentropfen. Nur wenige, nur vereinzelt. Ein Scherz des Sängers, ein passendes Lied, „Wenn die Wolken die Berge berühren“ und die Hoffnung, dass alles nicht so schlimm kommt, wie die tiefschwarzen Regenwolken und die immer heftiger werdenden Böen vermuten lassen.

Die Fans beklatschen jedes Lied. Dem Sänger werden Blumen gereicht. Unzählige Kameras klicken. Jeder will ein Bild der Idole aus Südtirol. Doch die gute Laune vertreibt das Unwetter nicht. Zwei, drei Lieder später und das Publikum greift zum Letzten. Die dünnen Plastikpellen, ähnlich dem gelben Sack, werden ausgepackt und angezogen. Unter der Plastikhaut verschwinden Trachtenjanker und Dirndl, Krachlederne und Gamsbarthüte. Man hat sich rausgeputzt, zeigt Verbundenheit mit dem Alpenland.

Die Regentropfen werden dicker, sie fallen schneller. Dazu kommt ein böiger Sturm, der nicht nur die Fahnen der Fans senkrecht flattern lässt. Auch die Bühne leidet. Der Sturm reißt Seitenverkleidungen ab, die Feuerwehr kann die mit Plastikplanen bewehrten Bauzäune nur mit Mühe halten.

Das DRK hat längst seine Sondereinsatzgruppe mit 15 Rettern alarmiert. Ein weiterer Rettungswagen wird an die Turnhalle beordert. Der Leitende Notarzt des Kreises kommt nach Wicker. Die Lage ist unübersichtlich. Man will gerüstet sein, wenn das Unwetter Stände umlegt oder Tische und Bänke durch die Luft wirbelt oder gar die Bühne stürzt. Eine Frau muss mit einem Asthmaanfall notärztlich versorgt werden. Als das Unwetter seine ganze Macht zeigt, als Blitze über den Himmel zucken, hat die Band die Bühne längst verlassen. Die Zuschauer drängen sich unter den Überdachungen der Getränkestände, harren an den Tischen aus oder versuchen, durch enge Gänge in die Turnhalle zu kommen. Dort herrschen Enttäuschung oder Humor – je nach Verfassung. So etwas müsse man halt auch einmal erlebt haben, meint ein Besucher, die Dame neben ihm beklagt sich über die himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass, was so schön begann, so endet.

Gegen 22 Uhr machen die Kastelruther Spatzen weiter. Das Unwetter hat sich verzogen, die Bühne ist bespielbar. Von den Zuschauern sind noch etwa zwei Drittel auf dem Gelände. Von der anfänglichen Stimmung deutlich weniger.

Jens Etzelsberger, 4.6.2005

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